Diese Woche haben wir an zwei Tagen einen Backkurs für Frauen aus verschiedenen Arbeitsbereichen der Confraternidad sowie einige höchst motivierten Mitarbeitern gegeben und auf dem Programm standen die Highlights der letzten zwei Wochen Gefängnisbackkurs: Carrot Cake, Elsässer Apfelkuchen, Sachertorte und kolumbianische Linzertorte am ersten Tag, Stollenkonfrekt (Iris‘ Spezialität), deutsche Buttercreme und Dekortechniken am zweiten. Was allerdings nur bedingt sinnvoll war, da die meisten der Teilnehmerinnen weder einen Backofen noch einen Schneebesen zur Verfügung haben. Deshalb haben wir spontan alles wieder in cups umgerechnet, die Zubereitung auf Pfannen-Kuchen über dem Lager- bzw. Kohlefeuer umgeschrieben und alles von Hand ‚aufgeschlagen‘. Geht auch und die Damen waren sehr beglückt, auch weil ihnen das ganze Drumherum gut getan hat: Kaffee trinken, Zeit für Austausch und gute Worte und Gedanken. Drei der Frauen kommen aus den Comunidades Restaurativas (Dörfern, in denen Täter und Opfer des bewaffneten Konflikts Versöhnung und Aufarbeitung leben) und sind ehemalige Farc-Mitglieder, andere sind ehemalige Häftlinge oder die Frauen von Häftlingen und bekommen von der Confraternidad einen Mikrokredit, um sich und ihre Familien mit kleinen Unternehmen versorgen zu können. Auch wenn mir die Arbeit mit den Jungs hinter Gittern eindeutig mehr liegt, hat es mich tief bewegt, einen Einblick in das Leben dieser Frauen zu bekommen, wenn sie erzählen, welche Macht Worte in ihrem bisherigen Leben hatten: wenn Ehemänner nur Kritik und Verachtung äußern, oder die eigene Mutter nichts als Lieblosigkeit und Geringschätzung übrig hatte, aber auch wie ermutigend und anspornend es ist, wenn man zu Hause zu hören bekam, dass man vieles schaffen kann, auch wenn die Umstände schwierig sind; diese fröhlichen, starken und schönheitssuchenden Frauen weinen zu sehen, wenn vergangener Schmerz und die daraus noch offenen Wunden laut ausgesprochen und anerkannt werden dürfen und man Liebe und Aufmerksamkeit für sie hat. Und ein Stück Kuchen. Wie viel mehr als Butter, Zucker und Eier ein Stück Kuchen sein kann, ist der eigentliche Grund, warum ich meinen Beruf so gern mache. Und warum die letzten Wochen mir viel mehr gegeben haben, als ich mit nach Kolumbien bringen konnte. Mit sehr vielen, sehr lieben Worten und Wünschen wurden wir verabschiedet und Iris wurde verpflichtet, den Ehemann zu überzeugen, das nächste Mal mitzukommen und bis dahin Spanisch zu lernen 😊 Ich bin so dankbar, dass sie diese Wochen mit dabei war, mich v.a. auch moralisch unterstützt hat und eine so angenehme und entspannte Reisegefährtin war, wie man es sich nur wünschen kann – auch nicht selbstverständlich! Da wir uns vor unserem Trip ja auch nicht wirklich gut kannten, bin ich so, so froh, dass ich eine sehr gute Freundin ‚aus Kolumbien‘ mit nach Deutschland nehmen kann.
Jetzt sitzen wir im Flugzeug und verlassen den amerikanischen Kontinent. Jorge hat uns heute Morgen zum Flughafen gebracht, so wie er uns vor dreieinhalb Wochen dort abgeholt hat. Nur, dass ich dieses Mal ein tatsächliches Gespräch führen konnte, wir viel gelacht haben und im Gepäck keine Backzutaten, sondern einen Schatz an guten Begegnungen, Freundschaften und wertvollen Erinnerungen haben (und Kochbananenchips – beste Erfindung überhaupt!!). Verrückt, wie schnell man sich an einem fernen Ort zuhause fühlen kann und wie schnell ’Fremde‘ zu Familie werden.
Herr, ich will dir danken unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten.
Ps. 57,10 - Losung am Samstag
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